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Aluminium: Umweltmonster oder Kreislaufmaterial?

Aluminium – Umweltmonster oder Kreislaufmaterial?

„Schmutzig, teuer, überflüssig“ – so nannte die Tagesschau die Produktion von Aluminium. Unter Umweltschützern ist der Rohstoff schon lange verpönt. Doch was ist dran an der Kritik?


Dieser Beitrag erscheint in der Reihe „Was denn nun?“ im Nachhaltigkeitsblog von Tina Teucher. Sie hinterfragt Alltagsthemen und Dilemmata der Nachhaltigkeit, untersucht unterschiedliche Quellen und Erkenntnisse zum jeweiligen Thema und gibt Tipps für die Entscheidungsfindung.

Ist Alu umweltschädlich?

Wer Aluminium hört, denkt wahrscheinlich als erstes an das in Alufolie eingewickelte Pausenbrot. Oder an die mittlerweile über 50 Jahre alte Coladose. Oder an die neuen Alufelgen. Das Material fühlt sich in vielen Industrien zu Hause: In der Luft- und Raumfahrt, der Automobil- und Elektroindustrie, der Möbelbranche und als Verpackung. Doch Aluminium steht immer wieder bei Umweltschützern in der Kritik, weil die Aluminium-Gewinnung starke Schäden an Ökosystemen anrichte und ihre Risiken für die Gesundheit nicht einzuschätzen seien.

Gleichzeitig bezeichnen Industrievertreter das Aluminium als umweltschonendes Kreislaufmaterial und weisen darauf hin, dass der Werkstoff auch bei multiplem Recycling weder an Qualität noch an Wert verliere. Was stimmt denn nun?

Die unnachhaltige Produktion von Aluminium

Aluminium ist das am häufigsten auftretende Metall in der Erdkruste. Allerdings kommt es nur gebunden vor und muss daher mithilfe eines sehr energieintensiven Prozesses vom Grundstoff Bauxit getrennt werden. Ein Beispiel: 15 Megawatt-Stunden Strom sind nötig, um eine Tonne Aluminium herzustellen – das ist so viel Energie, wie ein 2-Personen-Haushalt in fünf Jahren nutzt.

Während der Produktion fällt Rotschlamm an, welcher unter anderem aus giftigen Stoffen wie Quecksilber oder Arsen besteht. Die Lagerung gestaltet sich als risikoreich, wie der Fall des Kolontár-Dammbruches 2010 in Ungarn zeigte. Das Aufbewahrungsbecken des Schlammes brach und hunderttausende Kubikmeter giftiger Flüssigkeit überfluteten die umliegenden Dörfer, rissen mehrere Menschen in den Tod und zerstörten Flora und Fauna.

Gleichzeitig opfern Länder wie Brasilien, Jamaika oder Australien ihre Urwälder und Regenwälder und bedrohen indigene Völker, um an die Bodenschätze zu kommen. Große Teile der weltweiten Bauxitvorkommnisse liegen im Tropengürtel.

Wird Alu recycelt?

Im Dezember 2021 belief sich der durchschnittliche Preis von einer Tonne Aluminium auf rund 2.696 US-Dollar, was den Rohstoff zu einem vergleichsweise wertvollen Metall macht. Daher bemühen sich die Abfallwirtschaftsunternehmen auch darum, den Wertstoff herauszufiltern, einzuschmelzen und wiederzuverwerten.

Aluminium-Verpackungen unterliegen der Recycling-Pflicht

Neuerungen des Verpackungsgesetzes in Deutschland umfassen seit 2019 unter anderem eine deutliche Anhebung der Recyclingquoten: So müssen Verpackungen aus Aluminium mittlerweile zu mindestens 80 % recycelt werden. Allerdings fand 2018 bereits 93,7 % des Aluminiumabfalls seinen Weg zu Verwertungsstellen und kam so wieder in den Produktionskreislauf. Global betrachtet ist die Recyclingquote von Aluminium jedoch mit ungefähr 75 % viel niedriger.

Aluminium-Recycling ist energiesparend

Auch energetisch lohnt die Aufbereitung von bereits verwendetem Aluminium: Bis zu 95% weniger Energie als bei der Erstgewinnung kommt dabei zum Einsatz. Der Energieaufwand für die Herstellung einer neuen Getränkedose entspricht dem für die Produktion von 20 Dosen aus recyceltem Material.

2017 erzeugte die Industrie rund 550.000 Tonnen Primäraluminium und 763.000 Tonnen Recyclingaluminium. Der bestehende Alu-Kreislauf lieferte also mehr Materialmasse als der Abbau von neuem Rohstoff.

Dennoch gibt es auch hier einen Haken: Meist findet man Alu in Legierungen, weil sie das Metall belastbarer machen. Diese Mischungen bestehen aus verschiedensten Metallen in unterschiedlichen Anteilen. Damit das Aluminium wieder die anfängliche Qualität erreicht, müssen Hersteller Primäraluminium hinzugeben – und schon erscheint die Umweltbilanz nicht mehr so glänzend.

Nespresso und Nachhaltigkeit – ein unvereinbares Duo?

Eines der beliebtesten Produkte mit Alu-Verpackung sind Kaffeekapseln. Jährlich verbrauchen die Deutschen rund 3 Milliarden Stück davon – das sind 8000 Tonnen Verpackungsmüll, was wiederum 14.000 ausgewachsenen Kühen oder 1800 Elefanten entspricht. Eine unvorstellbare Menge. Nespresso, Hauptproduzent der Kapseln, betont jedoch, die Hüllen seien einfach zu recyceln und zu neuen Gegenständen zu verarbeiten. Daraus schließt das Unternehmen automatisch, dass sein Produkt nachhaltig ist.

Die Aussagen des Nestlé-Markenunternehmens sind per se nicht falsch, dennoch bleiben wichtige Aspekte unbeachtet: Prinzipiell lassen sich die Alu-Kapseln gut aus dem Verpackungsmüll herausfiltern. Die Konsumenten müssen sie aber auch dem gelben Sack oder dem richtigen Container zuführen – die meisten landen allerdings im Restmüll. So können Abfallbetriebe die Kapseln nicht fachgerecht recyceln.

Nespresso-Kapseln aus Alu bräuchten Pfandsystem

Nespresso-Stores und andere Sammelstellen nehmen die Kapseln zwar zurück, doch gibt es dafür kein Pfand und somit keinen monetären Anreiz für die Kunden. Über die tatsächliche Rücklaufquote macht Nespresso keine Aussage, das Unternehmen gibt lediglich bekannt, dass der Konzern eine Rücklaufkapazität von 100% habe. Das sagt aber noch nichts über die tatsächliche Recyclingrate aus. Laut dem Freiburger Öko-Institut wird in Deutschland nur etwa die Hälfte der Kapseln wiederverwertet. In Ländern ohne die gelbe Tonne ist der Anteil wohl noch geringer.

Ein weiteres Problem: Selbst wenn alte Kaffeekapseln eingeschmolzen werden, lassen sich daraus nur noch minderwertigere Aluminium-Produkte herstellen („Downcycling“). Für die Produktion neuer Kapseln eignet sich das alte Aluminium nicht. Es würde sich bei den hohen Temperaturen in der Kaffeemaschine verformen. Auch wenn Verbraucher die Kapseln also richtig entsorgen, gibt es keinen wirklich geschlossenen Recyclingkreislauf.

Verkehrswende erhöht Aluminium-Bedarf

Fahrräder mit E-Antrieb und Autos, die leise rollen: Durch den Trend zur Elektromobilität wird die Nachfrage nach Aluminium im technischen Sektor weiter steigen. Für Batteriekästen und leichte Karosserien eignet sich der Rohstoff wie kein anderer. Das Recycling ist zwar gerade bei großen Teilen erprobt und effizient, die Förderung und Herstellung von Primäraluminium bleibt dafür ein umso schmutzigeres Geschäft.

Fazit: Alu-Verpackungsmüll vermeiden

Aluminium ist also weder Umweltmonster noch Umweltheld – aber hat in jedem Fall einen großen ökologischen Fußabdruck, der auch den Verlust von Biodiversität und die Verletzung von Menschenrechten miteinschließt. In vielen Industrien ist Alu ein fast unverzichtbares Material. Als Konsumenten hingegen können wir Verpackungsmüll vermeiden, Müll richtig trennen und damit ein Zeichen setzen.

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/3521/dokumente/factsheet-aluminium_fi_barrierefrei.pdf

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2021-11-23_texte_148-2021_aufkommen-verwertung-verpackungsabfaelle-deutschland-2019_bf.pdf

https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/verwertung-entsorgung-ausgewaehlter-abfallarten/verpackungsabfaelle#anspruchsvollere-verwertungsvorgaben-durch-das-verpackungsgesetz

https://utopia.de/ratgeber/wie-schaedlich-ist-aluminium-fuer-umwelt-und-gesundheit/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156542/umfrage/recyclingquote-von-aluminiumverpackungen-in-deutschland-seit-1991/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/664491/umfrage/durchschnittlicher-preis-fuer-aluminium-weltweit/

https://www.zeit.de/wirtschaft/2011-10/nespresso-kapseln-oekobilanz/seite-2

https://www.stern.de/wirtschaft/nespresso-recyclinganlage–was-vom-kaffeekapsel-wahnsinn-uebrig-bleibt-3237068.html

https://nestle-nespresso.com/news/joining_aluminium_recycling_scheme


Tina Teucher macht Lösungen rund um nachhaltiges Leben und Wirtschaften mit Vorträgen und Publikationen bekannt. Als Moderatorin und Speakerin ist sie auf Veranstaltungen online und vor Ort präsent. Sie spricht zu Themen wie Megatrends, nachhaltige Innovationen und Sustainable Leadership und berät Unternehmen und Institutionen bei den wesentlichen Fragen des Wandels: Wie gelingt die Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Organisation? Ihr Motto dabei: Erfolg durch Sinnstiftung und gute, zukunftsrelevante Inhalte.
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